Der König und sein Prophet Die Geschichte
Und der HERR sandte Nathan zu David. Als der zu ihm kam, sprach er zu ihm: Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm.
2 Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder;
3 aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein, das er gekauft hatte. Und er nährte es, dass es groß wurde bei ihm zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß, und er hielt's wie eine Tochter.
4 Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte er's nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas zuzurichten, der zu ihm gekommen war, sondern er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war.
Liebe Gemeinde,
was Nathan dort erzählt, ist so abgrundtief böse, dass auch wir uns empören können.
Können Reiche nicht den Rachen voll genug bekommen?
Seht: Das eine kleine Schaf – wie ein Kind aufgezogen und geliebt. Ein Lamm - friedlich und harmlos, aber auch wehrlos – und auf der anderen Seite der Reiche, der nur die Pflege seines Vermögens kennt und noch die letzten Schulden eintreiben lässt.
Ein Tier, das uns durch die Erzählung ans Herz gewachsen ist und sich deshalb abhebt von den tausenden anderen und wir erleben den Schmerz der gewaltsamen Trennung und die Störung dieser Idylle mit, als wäre es unsere Eigene. Muss alles bis zum letzten ausgenutzt und ausgebeutet werden?
Und wir fragen uns: kann so etwas wirklich geschehen? Und ahnen gleichzeitig – Ja. Diese Gnadenlosigkeit und Ungerechtigkeit geschieht tausendfach jeden Tag.
Ein Rachegefühl, ein Zorn steigt in uns auf, den wir gerecht nennen. Hier wissen wir ganz genau, dass wir uns auf der richtigen Seite befinden. Ziehen wir jetzt los und suchen und bestrafen dieses Monster?
Wenn wir diesen reichen Mann suchen würden, werden wir in einem Labyrinth von verschachtelten Geschäftsbeziehungen uns verirren, alles wird rechtens sein und Juristen zeigen uns, warum alles so ist, wie es ist, wir werden ganz normalen Menschen finden, die alle nur die Pflicht für ihre eigene Firma tun, nicht böser als wir – wir sehen zwar das Unrecht, das geschieht, die Welt, die ausgebeutet wird, die millionen Tiere in ihren Käfigen, die Kinder in den Steinbrüchen ohne jede Hoffnung – aber die Menschen, die am anderen Ende der Nahrungskette sitzen / „Wertschöpfung“, sehen wir nicht: das sind wir, für die alles getan wird und wir essen das Lamm des Unrechts und brauchen noch mehr.
5 Da geriet David in großen Zorn über den Mann und sprach zu Nathan: So wahr der HERR lebt: der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat!
6 Dazu soll er das Schaf [a] vierfach bezahlen, weil er das getan und sein eigenes geschont hat.
7 Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann! So spricht der HERR, der Gott Israels: Ich habe dich zum König gesalbt über Israel und habe dich errettet aus der Hand Sauls
8 und habe dir deines Herrn Haus gegeben, dazu seine Frauen, und habe dir das Haus Israel und Juda gegeben; und ist das zu wenig, will ich noch dies und das dazutun.
9 Warum hast du denn das Wort des HERRN verachtet, dass du getan hast, was ihm missfiel?
Uria, den Hetiter, hast du erschlagen mit dem Schwert, seine Frau hast du dir zur Frau genommen, ihn aber hast du umgebracht durchs Schwert der Ammoniter.
10 Nun, so soll von deinem Hause das Schwert nimmermehr lassen, weil du mich verachtet und die Frau Urias, des Hetiters, genommen hast, daß sie deine Frau sei.
Wir beginnen uns zu erinnern: der Seitensprung Davids und die Folgen. Das Bad Bathsebas im Freien und ihr treudoofer Mann Uria, der im noch Fronturlaub das Tor seinen Königs bewacht und nichts unternimmt, um die Schande des Königs an Soldatenfrauen in der Heimat zu vertuschen. Der schließlich seinen eigenen Mordbefehl überbringt und getötet wird - „Das Schwert frisst mal diesen und jenen“, wird David später zynisch sagen. Er fügt die Bathseba seinem Harem von 600 Frauen zu und würde sie bald vergessen haben.
Unser Urteil: Ein hoffnungsloser Fall dieser David, hochmütig und vollkommen selbstüberzeugt von seiner seinem Glück, berechnend in seiner Macht und ohne jeden Skrupel.
Warum gibt sich Gott mit so einem ab?
Warum der Umweg Nathans?
Warum sagt er David nicht sein Unrecht selbst ins Gesicht?
Warum muss David selbst seine Strafe aussprechen?
Die Wende
13 Da sprach David zu Nathan: Ich habe gesündigt gegen den HERRN. Nathan sprach zu David: So hat auch der HERR deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben.
14 Aber weil du die Feinde des HERRN durch diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, des Todes sterben.
15 Und Nathan ging heim.
Das ist wohl das erstaunlichste an dieser Geschichte. „Ich habe gesündigt gegen den Herren.“ Sagt dieser König und meint es ernst. Das Todesurteil wird nicht vollzogen. David wird vergeben werden, aber die Folgen sind nicht mehr zurückzunehmen.
Das Kind von Bathseba und David wird sterben.
Ein Sohn wird seine Schwester vergewaltigen und muss getötet werden wie ein tollwütiger Hund. Die Söhne Davids werden sich gegen ihn auflehnen und David muss gegen sie kämpfen - „Das Schwert wird nicht mehr von deiner Familie weichen.“
Wir reden oft so leichtfertig von Vergebung. Auch von der Vergebung Gottes.
Aber unsere Taten haben Folgen.
Kinder leiden unter Ehebruch und die natürliche Autorität der Eltern ist für immer verloren.
Andere Ehen geraten ebenfalls in Gefahr und etwas Maßloses ist in die Welt gesetzt, das wir nie oder nur schwer wieder in Ordnung bringen können.
Es täusche sich niemand: die Vergebung Gottes bewahrt noch nicht vor den Konsequenzen unserer Taten, auch wenn sie strafrechtlich nicht relevant sein mögen.
Aber Gott kümmert sich um diesen David. Nach einem rauschenden Erfolg als König beginnt nun eine andere Zeit, oft demütigend aber David weiß nun um seine Verantwortung. Er beginnt sich selbst kennen zu lernen. Er wird erwachsen und weiß um die Grenzen.
Vergebung und Folgen
Und der HERR schlug das Kind, das Urias Frau David geboren hatte, so daß es todkrank wurde.
16 Und David suchte Gott um des Knäbleins willen und fastete, und wenn er heimkam, lag er über Nacht auf der Erde.
17 Da traten herzu die Ältesten seines Hauses und wollten ihn aufrichten von der Erde; er aber wollte nicht und aß auch nicht mit ihnen.
18 Am siebenten Tage aber starb das Kind. Und die Männer Davids fürchteten sich, ihm zu sagen, daß das Kind tot sei; denn sie dachten: Siehe, als das Kind noch am Leben war, redeten wir mit ihm, und er hörte nicht auf uns; wie könnten wir ihm nun sagen: Das Kind ist tot! Er könnte ein Unheil anrichten.
19 Als aber David sah, daß seine Männer leise redeten, merkte er, daß das Kind tot sei, und sprach zu seinen Männern: Ist das Kind tot? Sie sprachen: Ja.
20 Da stand David von der Erde auf und wusch sich und salbte sich und zog andere Kleider an und ging in das Haus des HERRN und betete an. Und als er wieder heimkam, ließ er sich Speise auftragen und aß.
21 Da sprachen seine Männer zu ihm: Was soll das, was du tust? Als das Kind lebte, hast du gefastet und geweint; nun es aber gestorben ist, stehst du auf und issest?
22 Er sprach: Als das Kind noch lebte, fastete ich und weinte; denn ich dachte: Wer weiß, ob mir der HERR nicht gnädig wird und das Kind am Leben bleibt.
23 Nun es aber tot ist, was soll ich fasten? Kann ich es wieder zurückholen? Ich werde wohl zu ihm fahren; es kommt aber nicht wieder zu mir zurück.
24 Und als David seine Frau Batseba getröstet hatte, ging er zu ihr hinein und wohnte ihr bei. Und sie gebar einen Sohn, den nannte er Salomo. Und der HERR liebte ihn.
25 Und er tat ihn unter die Hand des Propheten Nathan; der nannte ihn Jedidja um des HERRN willen.
Eine erstaunliche Entwicklung. David beginnt Bathseba zu lieben, als wäre sie seine einzige Frau. Für lange Zeit spielt keine andere Frau mehr eine Rolle in seinem Leben. Er nimmt sie nicht mehr wahr als das Objekt seiner Begierde, als einen weiteren Edelstein seiner Sammlung, sondern leidet mit ihr, fastet und weint, tröstet und lebt schließlich mit ihr weiter. Er ist hindurch. Diese Frau wird als eine von nur vieren im Stammbaum Jesu genannt werden. Und der nächste Sohn wird vom Propheten Nathan selbst erzogen und wird König ein König des Friedens und der Weisheit werden.
Eine etwas künstlich erscheinende Übung:
Wer etwas Zeit hat, sollte sich einmal hinsetzen und eine Liste anfertigen von all den Menschen, die er gerne geheiratet hätte, deren Nähe er jemals gesucht hat, die er begehrt hat.
Und dann noch einmal eine Woche später eine Liste der Eigenschaften dieser Menschen, die ihn angezogen haben.
Nun setze einen Schlussstrich und schreibe deinen eigenen Namen darunter – All diese bist du selbst! Die vielen sind nicht beliebig, aber wir treffen nur auf uns selbst. Wirkliche Liebe und Verantwortung füreinander lernen wir so nicht kennen.
Nun erscheint uns unserer Partner in einem anderen Licht. Fremd, ganz anders als ich und wir passen doch zusammen. Ein Fleisch sind wir geworden in der Ehe und doch ein Gegenüber, das uns zurechtbringt und weiterführt.
Ein kleines Wunder in dieser abgründigen Geschichte. Wir erkennen uns nicht nur selbst, Gottes Wort informiert nicht nur, sondern wir werden hineingezogen und verändert.
Später wird Jesus wie Nathan reden und uns wird auf den Kopf zugesagt: das bist du selbst! Wende dich nicht angeekelt ab. So bist du! Immerhin ein Anfang…
Ein harter Prozess, Demut zu lernen, die Furcht Gottes, ohne die wir nicht weise werden.
Das ist unsere Hoffnung.
AMEN.