1 Kor 9
19 Denn obwohl ich frei bin von jedermann,
habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht,
damit ich möglichst viele gewinne.
20 Den Juden bin ich wie ein Jude geworden,
damit ich die Juden gewinne.
Denen, die unter dem Gesetz sind,
bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden –
obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -,
damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne.
21 Denen, die ohne Gesetz sind,
bin ich wie einer ohne Gesetz geworden –
obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott,
sondern bin in dem Gesetz Christi -,
damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne.
22 Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden,
damit ich die Schwachen gewinne.
Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette.
23 Alles aber tue ich um des Evangeliums willen,
um an ihm teilzuhaben.
L.G.
1. ICH
Wenn man die Briefe des Paulus liest – so oft Ich. Auch diesmal.
Ich finde das gut. Einsicht in ein ICH der Urchristenheit, das durch diese Offenheit zur Schlüsselfigur geworden ist.
Pálus sagt als erster ICH wie es Jesus gesagt hat.
2. Und nun zieht er eine Art LEBENSBILANZ
"Ich bin allen alles geworden!" sagt Paulus im Rückblick auf sein Leben, auf seine Arbeit.
Was würden wir über unser Leben sagen?
-zufrieden:
Ich habe versucht, allen gerecht zu werden?
Ich habe allen Ansprüchen an mich einigermaßen genügt. Gelobt hat mich deshalb keiner
-Selbstkritisch:
Eigentlich habe ich es niemandem recht machen können.
-Traurig:
Obwohl ich mich zerteilt habe, hat sich nie jemand bedankt.
ALLEN RECHT GETAN IST EINE KUNST, DIE NIEMAND KANN.
3. "Ich bin allen alles geworden! damit ich auf alle Weise einige (wenigstens) rette. "
Wie hat Paulus das gemacht? Und warum?
WIE: lange Jahre unter den Menschen an fremden Orten gelebt. Zeltmacher. Dabei kann man sich gut unterhalten. Schneider und Friseure sind ja meist gesprächige Menschen.
Paulus war kein beeindruckender Redner, eher für Einzelne und kleine Gruppen. In Korinth hat Paulus jahrelang gelebt, ohne zunächst Erfolg zu haben.
ZEIT: 15 Jahre Arbeit, bevor er seinen ersten Brief geschrieben hat!
4. Hat er sich angepasst, als Jude an die Heiden?
Sich selbst ja – aber hat er auch „die Botschaft“ angepasst? In gewisser Weise schon. Aber nicht um Erfolg zu haben, sondern um verstanden zu werden.
5. Allen alles zu werden. Wäre ja auch ein Motto für unsere Kirche.
Es sind ja drängende Fragen, nicht nur in der Kirchenleitung, sondern auch bei uns in Rödelsee/Fröhstockheim.
Wie müssen wir unsere Gemeinde ändern, damit alle das Evangelium erreicht?
Immerhin: das ist schon eine richtige und gute Frage. Besser als die Fragen: Wie muss ich die Präparanden beeinflussen, damit sie gerne ihre Dienste tun? Oder …Was muss ich tun, um einen Mitarbeiter zu finden, der den Zaun der Kirche streicht?
Wie müssen wir unsere Gemeinde ändern, damit alle das Evangelium erreicht.
Wir glauben, wir müssten nur die Verpackung ändern. Ein paar moderne Lieder, Gospels und so, und schon würden die Menschen in den Gottesdienst strömen. Jeden Sonntag.
Als wäre Kirche eine Verwaltungsangelegenheit. Wir bräuchten nur die richtige Marketingstrategie. Citykirche, Kirche auf dem Land, ein paar Mitgliederbefragungen und schon läuft es.
Oder man wird parteiisch – wenn man erkennt, dass man nicht alle kriegen kann, dann wenigstens ein paar – vielleicht auch auf Kosten der anderen. Schart eine eingeschworene Gruppe um sich. Durch ein hartes Profil der Verbindlichkeit, der radikalen Ansichten – so machen es doch einige der Freikirchen und manche der radikalen Parteien. Wir sind die Geretteten und die anderen werden verloren gehen.
Aber allen alles werden, wie Paulus es meint – geht viel tiefer.
Es heißt, den Weg Christi gehen.
Wie JC zu allen gegangen ist. Zu den Gerechten und zu den Sündern. Um alle zu gewinnen.
Bert Brecht:
"Was tun
Sie", wurde Herr K. gefragt, "wenn Sie einen Menschen lieben?"
"Ich mache einen Entwurf von ihm", sagte Herr K., "und sorge,
daß er ihm ähnlich wird." "Wer? Der Entwurf?" "Nein",
sagte Herr K., "der Mensch."
6. Allen alles werden. Das ist zunächst ein Weg für mich selbst. Für den Einzelnen: er wird nicht stromlinienförmig und glatt, sondern christusförmig. Ich frage mich: geht es um Christus? Wie nimmt Christus heute in mir Gestalt an?
Auf eine langsame sorgfältige Art zu Hören, sich das Leben des anderen vorstellen, dabei keine Berührungsängste haben, keine Bedenken. Auch auf die Gefahr hin, zwischen allen Stühlen zu sitzen.
Aber so hingehen, dass sich die anderen fragen, warum tut er/sie das? Warum überschreitet er die Grenzen von Familie, von Herkunft, ja von Religion oder Konfession.
Als Juden den Juden – o.k. – obwohl schon einige Bedenkenträger maunzen.
Denen „ohne Gesetz“ = Ohne Gott! Heiden, oder „Ungläubige“ ohne Gesetz, wie einer ohne Gott? Obwohl unter Christus.
Als 3. den Schwachen ein Schwacher!!! (nicht den Starken ein Starker)
Ja Schwach werden.
7. Allen alles werden – das kann furchtbar schiefgehen, wenn ich es nur aus Bequemlichkeit tue und Konflikten ausweiche.
Oder ganz anders: weil ich mich über alles stellen möchte und allen alles verspreche, nur um an der Macht zu bleiben.
8. Allen alles geworden, um an dem Evangelium teilzuhaben. Das Evangelium, die Botschaft entsteht erst im Leben und Hören miteinander. Einer allein kann nicht das Evangelium haben oder sein. Nicht um das Evangelium zu verbreiten, kein Sender-Hörer-Modell. Sondern es fließt etwas hin und her, und wer wie Christus lebt, wird allen alles und an der Verheißung teilhaben.
…
9 Allen alles werden. Ist dann richtig, wenn ich mich nicht nur als Gebender fühle, sondern als Beschenkter durch die anderen, durch euch. Christus im anderen begegnen.
AMEN