Don Camillo!
Herr, du sprichst ja wieder mit mir!
Ich habe immer zu dir gesprochen, aber du hast mich nicht gehört.
Und ich dachte schon, dieser Ort wäre von dir ganz verlassen.
Don Camillo, wo bist du gewesen? Warum bist du nicht gekommen?
Ich war so beschäftigt und die Konfirmation, und die Konfirmationszeitung, und ach Herr - mach du mir nicht auch noch Vorwürfe.
Don Camillo, denkst du nicht zu sehr an dich in letzter Zeit?
Das ist mir gar nicht aufgefallen, aber wenn es so ist, verzeih mir, Herr.
Ist schon gut, Don Camillo. Aber jetzt... warum bist du jetzt zu mir gekommen? Wo hakts – etwa bei der Predigt für die Konfirmation morgen?
Ach, Herr, deine Gedanken sind unausforschlich. Das Kreuz, Jesus, das ist es, das ist mein Kreuz …
Don Camillo – glaubst du, dass es richtig ist, so über mein Kreuz zu reden?
Verzeih mir Herr – ich meine wirklich das Kreuz, dein Kreuz. Du weißt ja, die Konfirmanden bekommen immer Kreuze. Die meisten bewahren sie ihr Leben lang auf. Hängen sie über das Bett oder den Schreibtisch. Diesmal haben sich die Konfirmanden ihre Kreuze selbst ausgesucht, andere haben sie neu gestaltet, ein Vater hat sie alle hergestellt … ganz verschiedene Kreuze – von Kreuzrittern bis zur modernsten Kunst. Wir haben uns die Formen angeschaut, welche besser aussehen, welche irgendwie passen, abfotografiert, die Bedeutung nachgeschaut, … ganz viel Arbeit haben wir damit gehabt.
Das ist doch gut, Don Camillo…
Ja Herr, aber verstehst du nicht? Was das Kreuz – verzeih, dein Kreuz –bedeutet, dazu sind wir gar nicht gekommen, Vielleicht wollten wir auch gar nicht dazu kommen…
Na, dann hast du ja morgen Gelegenheit, es Ihnen zu erklären. Mit den Worten von meinem Apostel Paulus zum Beispiel:
„Den Griechen eine Torheit, den Juden ein Ärgernis – uns aber ein Kraft Gottes.“
Ich muss zugeben, dass ich mich zu meiner Zeit nicht so gut ausdrücken konnte wie Paulus. Ich habe ja auch nicht auf einer theologischen Universität studiert, wie z.B. du, Don Camillo!
Ach Herr, erinnere mich nicht daran. Vom Kreuz war da auch selten die Rede.
Sieh dir doch die Welt an: Das ..äh, - Dein Kreuz – wird inzwischen als Skandal angesehen. Als Ärgernis und Prozessgegenstand. In der einen Schule gibt es Streit über das Kruzifix, Eltern prozessieren gegen dein Kreuz, weil es zu grausam ist für kleine Kinder, andere sagen, dass in die Schule als staatliche Einrichtung überhaupt keine christlichen Symbole gehören. Künstler kreuzigen kleine Frösche und nur der Bund Naturschutz protestiert. Im reichen Oberbayern dagegen dürfen keine bunten Kreuze aus Lateinamerika aufgehängt werden, weil sie Gedankengut der Theologie der Befreiung enthalten.
Was ist das für eine närrische Welt? Lästern sie dich nicht – unseren Herrgott? Das ist doch alles Blasphemie, Jesus!
Don Camillo, vergiss nicht, bevor du dich so ereiferst – ich bin auch als Gotteslästerer damals verurteilt worden. Sei vorsichtig mit deinen Urteilen, dass du nicht ein Narr wirst über meinem Kreuz wie unser kluger Bruder Paulus schon sagte…
Ach Herr, wer sollte da nicht verrückt werden.
Ich verstehe dich schon, Don Camillo, aber jetzt denk doch mal an all die jungen Menschen, die an meinem Tisch geführt werden.
Mit den Jugendlichen allein, wäre es ja kein Problem, aber oft mit den Erwachsenen. Glaubst du etwa, dass das Abendmahl ihnen wichtiger ist als das große Essen zu Hause? Haben sie nicht über der Speisenfolge länger gegrübelt als über deine Worte „ Das ist mein Blut“!? Mir scheint, dass es ihnen wichtiger ist, wie die Tischdekoration aussieht, als wer am Tisch sitzt. Wer nimmt deine Worte wirklich ernst, Herr – „bevor du zum Altar gehst, geh hin und versöhn dich mit deinem Bruder?“ Und wer geht noch ehrlich beichten … Wenn du wüsstest, Herr, wie es zugeht bei den Familien im Dorf!
Ruhig, ruhig, Don Camillo, ich kenne die Menschen auch und ich liebe sie trotzdem, wie sie sind.
Sieh ihre Hoffnungen, ihre Ängste, ihren Glauben – ist es nicht schön, wie sie sich mir anvertrauen? Ist es nicht im Grunde ganz einfach? Don Camillo – habe ich nicht dich und die Konfirmanden gesehen, wie ihr mein Kreuz die Weinberge hinauf und hinunter geschleppt habt?
Danke Herr, dass du mich immer trösten willst. Wie oft bin ich verzweifelt als Lehrer, über ihre Unruhe, weil ich sie nicht erreicht habe mit deinem Wort, weil ich oft selbst nicht wusste, was ich sagen soll. Wer versteht schon diese Jugendlichen, wenn man schon so ein alter Pfarrer ist wie ich.
Don Camillo – mach dich nicht älter als du bist – ich bin nur dreißig Jahre alt geworden und habe die ganze Welt getragen und alle und alles verstanden. Und so stark wie du war ich nie. Hast du nicht kleine Kinder um dich und die Jugendlichen in der Schule? Wer soll denn wissen, was in meinen Gläubigen vorgeht, wenn nicht du?
Kennst du das neuste Schimpfwort in der Schule, Herr?
Nein, ich bin ja immer hier in der Kirche und da werden sie sich hüten … sag es mir.
OPFER, du „Opfer“ sagen sie. Früher sagte man Loser, Verlierer. Das war auch nicht nett. Aber „Opfer“. Verzeih Jesus – aber wenn du heutzutage hingerichtet worden wärest, hätten sie die Schläge und Spucke mit ihren Videohandys gefilmt und ins Internet gestellt. Ohne jedes Mitleid. Wie sollen sie da dein Opfer verstehen?
Auch früher sind Menschen nicht gerne Opfer geworden und auch ich konnte das nur mit der Kraft meines Vaters im Himmel.
Du schaust zuviel Fernsehen, Don Camillo. Verlass dich auf deine gesunde Menschenkenntnis.
Aber wenn den einen das Kreuz ein Ärgernis ist und etwas so Unmögliches, dass sie es am liebsten abschaffen würden, dann sind die anderen noch viel schlimmer! Für sie ist dein Kreuz absolut uninteressant! Sie sind vollkommen gleichgültig!
Wie kommt es dann, Don Camillo, dass ich das Zeichen des Kreuzes so oft sehe und mich daran freue, dass die Menschen sich an mich erinnern?
Das ist es ja gerade Herr! Sie sind so gleichgültig, dass sie dein Kreuz als Schmuckstück im Ohr tragen, oder sich auf den Bauch oder sonst wohin tätowieren lassen. Dein Kreuz wird in so vielen Formen hergestellt und gedruckt, dass keiner mehr an dich denkt. Manche denken, es wäre ein Pluszeichen und Firmen nehmen dein Kreuz als Zeichen für ein UmsatzPlus. Glaube mir, es ist herzzerreißend! Was würde dein Vater dazu sagen?
Lass Gottvater mal aus dem Spiel, Don Camillo. Bist du nicht ein wenig ungerecht? Denken die Menschen an das Plus auch bei den Kreuzen an den Straßenrändern, wo Menschen verunglückt sind? Bei den roten Kreuzen der Rettungswagen? Den Denk- und Ehrenmälern?
Bist du nicht ein wenig ungnädig? Sieh doch, wie sie auf mich blicken, in den Zeiten der Schmerzen, der Trauer und des Todes!
Ja, dann rufen sie immer noch nach dem Pfarrer. Wenn es zu Ende geht. Aber so mitten im Leben, am Anfang des Erwachsenseins, da ist H&M und der Media-Markt interessanter als dein Opfer am Kreuz …
Lass ihnen Zeit, Don Camillo, man muss nicht alles zur gleichen Zeit verstehen. Auch ich habe nur die kürzeste Zeit meines Lebens am Kreuz gehangen, auch wenn es die wichtigste Zeit war. Ich habe danach lieber mit meinen Freunden bei Brot und Wein wieder an einem Tisch gesessen oder am Lagerfeuer am See Genezareth und Fische gegrillt.
Dafür haben wir ja dann noch das Weinfest …
So bitter, Don Camillo? Sieh auf mich und bleib nicht am Kreuz hängen, wenn ich das mal so sagen darf. …
Warum willst du über das Kreuz spekulieren ohne an mich, den Gekreuzigten – und Auferstandenen zu denken? Ist dir die Macht des Kreuzes wichtiger als die Ohnmacht des Gekreuzigten?
Du hast recht. Ach Herr, es tut gut, mit dir zu reden. Zu wissen, dass du weißt und hörst. Ich bin zu ungeduldig. Du bist wirklich eine Kraft Gottes. Wenn ich es recht überlege, würde ich lieber ein Ohr als ein Kreuz als dein Zeichen sehen …
Das ist sehr wahr und gut gesagt, Don Camillo, wenn auch erheiternd sich vorzustellen, ein Ohr am Kreuz. Dein Bischof wäre über diese Rede nicht begeistert …
Danke, Herr. Wenn ich nur wüsste, dass du mit allen so redest, wie mit mir. Dass du alle so gut zu recht bringst.
Du bist sehr neugierig, Don Camillo …
Berufskrankheit, Jesus. Entschuldige mich Herr, ich muss los, ich muss noch so viel organisieren.
Überlass das den Leuten, die dafür zuständig sind. Jetzt flugs an deinen Schreibtisch und aufgeschrieben, damit du nicht vergisst, worüber wir geredet haben.
Wie immer hast du recht, Herr. Wo steht noch einmal die Stelle bei Paulus, die du zitiert hast, Herr?
1 Kor 1 und lies ruhig noch mal den Zusammenhang nach.
Mach ich. Danke - Bis morgen Herr!