"Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen
und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten,
wann er aufbrechen wird von der Hochzeit,
damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun.
Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet.
Wahrlich, ich sage euch:
Er wird sich schürzen
und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen.
Und wenn er kommt in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und findet's so: selig sind sie.
Das sollt ihr aber wissen:
Wenn ein Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt,
so ließe er nicht in sein Haus einbrechen.
Seid auch ihr bereit!
Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint."
Herr, segne unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist. Amen.
Liebe Gemeinde,
als Kind war ich gerne in Forchheim und besuchte die sogenannte Kaiserpfalz. Sie war eine Tagesreise von Nürnberg entfernt. Ich war fasziniert von den Erzählungen, dass der Kaiser vielleicht nur einmal in der ganzen Regierungszeit so eine Pfalz besucht hat und sie trotzdem die ganze Zeit für ihn vorgehalten wurde. Ich malte mir aus, wie die Diener und der Verwalter jahrzehntelang lebten, arbeiteten und schließlich sich der große Herr ankündigte! Was muss das für ein Tag für sie gewesen sein! Nach so langem Warten, der König, Stellvertreter Christi auf Erden ... Blieb er für Wochen und hielt Gericht oder verbrachte einfach nur launig eine Nacht mit seinem großen Gefolge, bevor er weiterzog.
So eine Situation beschreibt Jesus gerne in seinen Gleichnissen. Zu seiner Zeit waren die Herrschaften der Landgüter irgendwo in der Welt unterwegs, lebten in Stadtvillen oder Hotels und bezogen ihr Einkommen aus ihren Ländereien. Die Arbeiter und Knechte bekamen sie selten zu Gesicht. Und wenn, dann waren das Zeiten, vor denen sie Angst hatten - Zeiten der Abrechnung, der Kontrolle und Strafen.
Nun redet Jesus von der Herrschaft, die nach einer langen Feier nach Hause kommen soll.
"Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen."
Nicht zu Bett gehen, sondern arbeitsfähig warten. Kein Schlafmütze vom Dienst soll den Herrn erwarten, sondern ausgeruhte frische Knechte und Mägde bereit zum Werk.
Wir sollen wach sein! Aufmerksam! Haltet euch bereit, denn der Menschsohn kommt, wenn ihr es nicht erwartet! Vielleicht geht es Ihnen wie mir: Ich bin der vielen Worte und Rückblicke müde.
Das Jahr war lang und es scheint ein wenig, als sei alles gesagt. Jetzt noch aufmerksam sein, das scheint mir nur schwer möglich.
Im Text finden wir auch eine Bündelung an Gefühlen und Haltungen: die Sklavinnen und Sklaven - die Knechte warten. Warten gespannt auf die Heimkehr der Herrschaft, dem Dienstherren. Alles ist vorbereitet, die gröbsten Arbeiten sind erledigt, damit bloß keine Klagen kommen. Sie unterhalten sich leise, fragen sich, was die Herrschaft, der Herr wohl erlebt haben mag. Zwei fangen einen Streit über Kleinigkeiten an. Einer träumt still vor sich hin. Sie alle genießen die kurze, wohlverdiente Pause. Und doch, wenn man wartet, dann wird einem die Zeit schnell lang.
Die Herrschaft kehrt heim vom Fest. Sie war lange unterwegs, die Fahrt war beschwerlich, nun, es ging nicht anders. Wert war es das; sie haben fröhlich gefeiert, neue Menschen kennengelernt und alt bekannte Gesichter wiedergesehen. Nun kommen die Damen und Herren nach Hause und sind glücklich darüber, dass die Knechte, die Sklavinnen und Sklaven noch wach sind und ihnen die Tür öffnen. Endlich daheim, ein gutes Gefühl!
Und dann die Überraschung im Text: nicht die Sklavinnen und Sklaven bitten die Herrschaft zu Tisch, sondern im Gegenteil: Die Bediensteten werden bedient. Zuerst schauen sie sich ungläubig an. Das gab es ja noch nie! Und wie auch?
Zögerlich nehmen sie Platz. Die Herrschaften lächeln sich zu. Heute sind sie mal dran. Die Herrschaft sorgt sich um sie, nicht umgekehrt.
Wer hätte das gedacht! Expect the Unexpected. Erwarte das Unerwartbare, war mal der Werbeslogan der Tourismusindustrie für Papua-Neuguinea.
Solche Wendungen, solche Überraschungen liebe ich an Jesu Geschichten! Sie sind nie nur gewöhnlich. Er überrascht uns immer wieder. Ein ähnliches Gleichnis erzählt Jesus ganz anders - da sollen die Knechte sagen - ich habe nur meine Pflicht getan und sich zurückziehen ...
[Lukas 17, 7-10:
Wer aber von euch, der einen Knecht hat, der pflügt oder hütet, wird zu ihm, wenn er vom Feld hereinkommt, sagen: Komm und leg dich sogleich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Richte zu, was ich zu Abend essen soll, und gürte dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; und danach sollst du essen und trinken? Dankt er etwa dem Knecht, dass er das Befohlene getan hat? Ich meine nicht. So sprecht auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.]
Ich wäre gerne dabei gewesen, um zu erleben wie situationsgebunden Jesus seine Geschichten erzählt hat.
Warten auf Gott - das ist keine große Leere, sondern gefüllt vom dem Hoffen auf das Unerwartete, die Überraschung. Geduldig, aber nicht abgestumpft - Reflektiert, aber nicht rückwärtsgewandt - Bereit, alles zu geben.
Das Beispiel vom nach Hause kommenden Herrn hebt gerade hervor, dass es nicht um ein pflichtgemäßes Warten geht, bei dem es nur darauf ankommt, dass die Zeit möglichst schnell vergeht. Vielmehr wird deutlich, dass da noch etwas zu erwarten ist, dass der Abend erst richtig losgeht, wenn der Herr kommt.
Die Knechte sollen wach bleiben, bis ihr Herr von der Hochzeit, bei der er eingeladen war, nach Hause kommt. Ein leutseligerHherr, der vielleicht noch ein paar Leckereien eingepackt hat, der hat da sicher noch zu erzählen, ihnen etwas mitzuteilen, er bringt etwas mit von der Festfreude, und die wird sich dann im ganzen Haus breitmachen und auch auf die Knechte überspringen.
Was für ein wunderliche Wechsel ist das ich ein Herr und er ein Knecht. Haben wir gesungen im Lied 27 ... Auch das ist Weihnachten.
Ihr seid Gottesdiener, es ist Gottesdienst: ich gebe zu: oft haben unsere Gottesdienste wenig mit einer Feier zu tun. Mehr mit einem Warten, aufmerksam - wo ist das Wort, das Unerwartete, das ich höre und das mir weiterhilft. Und wenn nicht heute, dann beim nächsten Mal - das Evangelium kommt zu denen, die sich danach sehen, die warten und aufmerksam bleiben.
Wir Gottesdienstfeiernden sitzen hier und sind überrascht zu hören, dass Gott uns dienen will.
So realistisch Jesu Erzählungen sind, so extravagant sind sie auch:
Gott bricht ins Leben ein, wo Menschen es vielleicht am wenigsten erwarten.
Eben war ich zu Besuch zu Hause bei meiner Familie in meiner Heimatgemeinde. Immer wieder wird von einer eine Nachbarin erzählt, einer Freundin aus der Kirchengemeinde. Ihr Ehemann mit Herzproblemen ist in ihrer Gegenwart zusammengebrochen und erlitt einen Herzstillstand. Mit Herzdruckmassage hält sie ihn am Leben, bis der Rettungsdienst eintrifft. Aber von nun an bleibt ihr Mann in einem Wachkoma. Sie hat im selben Ort eine Pflegeeinrichtung gefunden in einem ehemaligen Wohnhaus. Anders wie die meisten Patienten muss er nicht künstlich beatmet werden. Er reagiert auf sie, auf Ihren Namen, auch auf manche andere Besuche. Ein Lächeln huscht über seine Lippen, der Versuch eines Rufes. Aber er kann nicht sprechen, sie weiß nicht was er sieht. Jeden Tag putzt sie sein Zimmer, sitzt bei ihm, sie massiert seinen Körper, sie bewegt ihn, erzählt von den gemeinsamen Kindern und Enkeln. Andere Bewohner sind Monate ohne Besuch, bereits für tot erklärt, obwohl sie noch leben - diese Freundin dagegen ist zu einem Lichtschein der Hoffnung geworden, auch für die Pflegekräfte, die sie alle kennt und sie mitträgt und stützt mit ihrer Ausdauer. Seit zweieinhalb Jahren macht sie das nun. Und ist nicht erschöpft. Das ist einfach ihr Leben geworden.
Ihre Kinder möchten manchmal, dass sie ein anderes Leben führt, aber sie kann gar nicht verstehen, was sie damit meinen. Das ist jetzt einfach ihr Leben und die Pflege ihres Mannes ihre Aufgabe. Was sollte sie sonst tun?
Sie ist aufmerksam, nachdenklich - und wartet. Wartet auf das Unerwartbare. Vielleicht dass er aufwacht. Das ist schon geschehen. Es ist nach menschlichen Ermessen unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Liebevolle Erwartung ist in ihr. Geduld. Auf alles gefasst und in jedem Augenblick präsent.
Sie ist bereit. Und dieses aktive Warten mein Jesus. Und viele Menschen richten sich an dieser Frau auf, ohne dass sie es weiß. Diese Menschen sind in ihrem Glauben und in ihrer Haltung und in ihrem Warten die Säulen, auf denen unsere Welt ruht und warum sie bestand hat.
Selig sind die Knechte (und Mägde), die der Herr, wenn er kommt, wachend findet.
Wahrlich, ich sage euch:
Er wird sich schürzen
und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen.
Und wenn er kommt in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und findet's so: selig sind sie.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als unser Denken und Verstehen bewahre unsere Herzen uns Sinne in Christus Jesus. G: Amen.
0116,1-3 Geh unter der Gnade