1. Tim 1, 12-17
1,12 Ich danke unserm Herrn Christus Jesus,
der mich stark gemacht und für treu erachtet hat
und in das Amt eingesetzt,
1,13 mich, der ich früher ein Lästerer und ein
Verfolger und ein Frevler war; aber mir ist Barmherzigkeit
widerfahren, denn ich habe es unwissend getan,
im Unglauben.
1,14 Es ist aber desto reicher geworden die Gnade
unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe, die
in Christus Jesus ist.
1,15 Das ist gewißlich wahr und ein Wort, des
Glaubens wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen
ist, die Sünder selig zu machen, unter denen
ich der erste bin.
1,16 Aber darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren,
daß Christus Jesus an mir als erstem alle Geduld
erweise, zum Vorbild denen, die an ihn glauben
sollten zum ewigen Leben.
1,17 Aber Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen
und Unsichtbaren, der allein Gott ist, sei Ehre
und Preis in Ewigkeit! Amen.
Liebe Gemeinde,
in der Hauptgeschäftsstraße von Neustadt beobachtete nachts um 2 Uhr ein Angestellter der »Wach- und Schließgesellschaft«, dass sich an einem der großen Kassenschränke ein kleines Licht bewegte; da arbeitete offenkundig einer mit dem Schweißbrenner. Der Mann von dem privaten Wachdienst benachrichtigte sofort den Inhaber der Bank und die Polizei. Sie alle traten vorsichtig in den Raum. Dann herrschte der Chef den Einbrecher an: »Was tun Sie hier?« Der Dieb wandte sich um, in der Absicht, sich zu wehren. Doch er blickte in auf ihn gerichtete Pistolenläufe. Der Chef war erbost. Dann aber wandelte er die Stimme und sagte: »Sie armer Kerl tun mir leid. Sie können gleich heute morgen bei mir eintreten, als Bankangestellter, damit Sie endlich ein ehrliches Geld verdienen.«
Wenn wir das morgen früh in der Zeitung lesen würden, dann würden wir es für eine erfundene Geschichte halten. Dabei stammt die Geschichte, natürlich etwas verfremdet, aus der Bibel. Der Einbrecher ist Paulus, sein Verbrechen war, die Christen zu verfolgen und ins Gefängnis zu werfen. Er wurde von der himmlischen Polizei vor Damaskus gestoppt, von Jesus Christus angesprochen und zum Einstellungsgespräch nach Damaskus geschickt.
Das ist gewisslich wahr und ein Wort,
des Glaubens wert,
dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist,
die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin.
Und so einer schreibt außerdem den ersten Brief an einen jungen Gemeindeleiter, den Timotheus. So einer wird an der Ausbildung von jungen Pfarrern beteiligt.
Von der Sünde reden, heißt von sich selbst reden. Paulus redet offen von sich selber. Und deshalb erzähle ich meine Geschichte.
Wie Timotheus von Paulus angeleitet wird, so wurde ich von einem älteren Pfarrer angenommen, der mich zurechtgebracht hat als Pfarrer. Er war sozusagen der Bankdirektor, der den Bankräuber eingestellt hat.
Einmal war ich schon gescheitert – mein erster Mentor wollte mich nicht zur Ordination zulassen. Wir hatten uns ineinander verhakt, zerstritten, beleidigt – und ich war schon längst an dem Pfarrersbild verzweifelt, dass mir dieser vorgehalten hat. Ich bin auch an meinen eigenen Widersprüchen gescheitert und ich stehe in Gefahr, immer wieder an diesen Erwartungen selbst zu scheitern.
Das Landeskirchenamt war weise genug, mir eine neue Chance zu geben, durch Zufall bei einem ihrer anerkanntesten Pfarrer der Landeskirche. Herbert Wirth in Waldkraiburg.
Er ist am 23. Juni 2004 – vor 2 Jahren gestorben und in dieser Zeit denke ich besonders an ihn.
Weil ich ihm so viel verdanke, weil er im Sinne von Paulus gelebt hat. Er war ein Pfarrer wie dieser Timotheus einer sein sollte. Ein hervorragender Organisator. Ein akribischer gründlicher Haushalter. Ein manchmal erstaunter und ratloser Vater von vier Kindern. Er hatte auch viele Schwächen, Fehler. Aber er hat sie angenommen. Er war einer, der sich selbst ganz nüchtern und klar sehen konnte, mit allen Fehlern: zB dass er von seiner Nikotinsucht nicht los kam trotz schwerer Zuckerkankheit. Das trug er mit Gelassenheit und litt doch darunter.
Er wusste, was das bedeutet „Sünder“ zu sein und zu bleiben.
Er wusste sogar, dass es vieles an ihm selbst gab, was er noch nicht verstand, ja nicht einmal sehen konnte. Aber da vertraute er auf Gott.
Und das machte ihn zu einem Seelsorger. Nicht nur für mich.
Er war übrigens einer, der verhältnismäßig wenig Besuche machte. Weil die Leute zu ihm kamen. Seine Tür war offen.
Er war in erster Linie offen für die Menschen. Um sie zu sehen wie sie sind. Und sie zu achten.
Liebe Gemeinde, wenn wir UMKEHR hören, sehen wir meistens das Bild eines Mannes auf einer Kiste inmitten einer Menge, die ihn verspottet. ABER:
Umkehr ist in erster Linie Umkehr Gottes.
Jesus kommt zu uns, er kehrt um, weil er uns nicht lassen will.
Umkehr ist Berufung und keine Entscheidung, die ich treffen könnte.
Auch Saulus hat sich nicht entschieden umzukehren, sondern wurde berufen. Er bleibt auch als Paulus Saulus und das ist meiner meinung nach sein Stachel im Fleisch, seine Versuchung.
Gott kehrt um, um uns zu holen.
Sicher, der verlorene Sohn möchte wieder nach Hause, nachdem er gescheitert ist. Aber er hat noch nicht viel verstanden. Er möchte Knecht sein zu Hause.
Aber das Überraschende und für viele Irritierende ist, dass der Vater hinausrennt und den Sohn in allen Ehren aufnimmt und selbst weint und lacht. Das kann der älteste bruder nicht verstehen. „Blickst du so neidisch, weil ich so gnädig bin?“
Es geht nicht um die Sünde, wie auch immer wir sie definieren.
Sondern darum, dass wir als Sünder aus der Gnade Gottes heraus leben.
Ich habe das erfahren, als ich als bockiger, seltsamer, junger Theologe zu Herbert Wirth gekommen bin.
Er hat alles erst einmal angenommen. Alles verstanden. Und alles gefordert. Ich sehe ihn, wie er dort sitzt in seinem alten verschlissenen und verrauchten Büro auf einem kaputten Bürostuhl und seine riesigen Beine zusammenfaltet. Zuerst bietet er mir eine Zigarette an. Vielleicht kurz bevor ich in Tränen ausgebrochen wäre.
Hinter ihm hängt eine handgeschriebene Tafel. Ein Wort von AUGUSTINUS
Unruhestifter zurechtweisen,
Kleinmütige trösten.
Sich der Schwachen annehmen,
Gegner widerlegen.
Sich vor Nachstellern hüten.
Ungebildete lehren,
Träge wachrütteln.
Händelsucher zurückhalten,
Eingebildeten den rechten Platz anweisen.
Streitende besänftigen.
Armen helfen, Unterdrückte befreien.
Gute ermutigen,
Böse ertragen und
Ach -
alle lieben.
Was für ein Leben.
Was für eine Liebe.
Wohl dem, der die Seelsorge des Paulus an sich selbst erfährt.
AMEN