Liebe Gemeinde!
Was für ein Drama wird uns da geschildert in wenigen Worten - eine Szene wie in einem Film!
Das würde ich gerne als Bild sehen.
Schön, dass es so etwas in unserem Gesangbuch gibt! Ich blättere ja auch gerne darin herum, wenn es langweilig zu werden droht. Wunderbare gedichte,, texte, bilder. Jetzt dürft ihr hineinschauen, auf das Bild
Es ist ein Bild, das auch im Evangelischen Gesangbuch abgedruckt ist (S. 1382),
im Textteil, als Motto über das Kapitel zur Taufe.
Ich zeige das Bild gerne den Konfis. Und es passt ja auch zu einer Kirche, die nach Johannes dem Täufer genannt wurde.
Das ist kein Bild von einer Taufe, wie wir es gewöhnlich erwarten: wo ein Baby von seinen Eltern und Paten über den Taufstein gehalten wird, und wo ein Pfarrer oder eine Pfarrerin im Talar das Wasser aus dem Taufstein über die Stirn schöpft. Solche Bilder habt ihr vielleicht von eurer eigenen Taufe zu Hause im Fotoalbum. Als Video.
Nein, bei dieser Taufe geht es anders zu: REAL.
Ein wilder struppiger Kerl steht am Ufer eines Flusses.
Er hält seine grobschlächtige Prankenhand über einen jungen Mann, der bis zum Bauchnabel in den Wasserfluten steht.
Und ein Vogel im senkrechten Sturzflug ist auch noch zu entdecken.
Dieses Bild - es ist eine Lithographie von Otto Dix aus dem Jahr 1960 - stellt die Taufe Jesu im Jordan dar.
Viel wissen wir nicht über diese Taufe, ganz am Anfang von Jesu öffentlichem Auftreten. Der Evangelist Markus benötigt sogar nur ganze drei Sätze, um das Geschehen zu beschreiben.
Es heißt da:
"Und es begab sich zu der Zeit,
dass Jesus aus Nazareth in Galiläa kam
und ließ sich taufen von Johannes im Jordan.
Und alsbald, als er aus dem Wasser stieg,
sah er, dass sich der Himmel auftat
und der Geist wie eine Taube herabkam auf ihn.
Und es geschah eine Stimme vom Himmel:
Du bist mein lieber Sohn,
an dir habe ich Wohlgefallen."
Das ist alles. Aber das ist der Anfang.
Malen wir ihn uns doch ein wenig aus, diesen knappen Bericht, so wie es auch schon Otto Dix mit seinem Bild gemacht hat. Denn auch eine Skizze aus wenigen schnellen Strichen kann viel erzählen!
Zuerst, liebe Gemeinde, dachte ich an den Weg des WILDEN MANNES. So wie Anselm Grün es zusammenfasst.
Anselm Grün: „Johannes ist der wilde Mann, der Zugang hat zu allem Wilden in sich und um sich herum. Das Wilde dient ihm als Kraftquelle, um seine Botschaft von Gott den Menschen zu verkünden und um die Menschen zur Umkehr aufzurufen."
ZWISCHENSPIEL
Kommt Jesus nun, um so werden wie Johannes? Sie sind ja Cousins, nur ein halbes Jahr auseinander. Ist Johannes sein Vorbild, sein Lehrer? War er wie oft vermutet wird, ein Anhänger des Johannes, ein Jünger?
JOHANNES, dieser Wilde!
Er lebte in der Wüste, freiwillig, mit Stolz.
Es passte ihm nicht, wie die Menschen um ihn herum so lebten. Vielleicht hat er deshalb auf dem Bild diesen etwas grimmigen Gesichtsausdruck!
Er hasste die satte Selbstzufriedenheit der Reichen, die ihr Vermögen horteten,
während andere nichts zum Anziehen hatten oder hungern mussten.
Und er hasste die Rücksichtslosigkeit der Zöllner,
die anderen mehr Geld abknöpften, als es erlaubt war.
Und er hasste die Brutalität der Soldaten,
die sadistisch und schadenfroh ihre Stärke auslebten.
Ein wilder Mann! Das Äußere gilt für Johannes nicht. Eine Maske zu tragen, kommt ihm gar nicht in den Sinn.
Er hat seinen festen Standpunkt schon gefunden:
So will er nicht leben, nicht mitmachen in dem verlogenen, gnadenlosen Treiben.
Das kann nicht nach Gottes Willen sein.
Und er glaubte auch, dass das alles nicht so sein müsste.
Deshalb zog er durch die Gegend,
und rief die Menschen dazu auf, ihr Leben zu ändern.
Und es kamen viele zu ihm, die seine Meinung teilten,
und gerne ihr Leben ändern wollten.
Mit diesen ging er dann zum Jordan und tauchte sie unter Wasser. Ersaufen, sterben soll alles, was Böse und Falsch und Gottwidrig ist.
KLAR: Dieses Wilde ist etwas, was zutiefst zum Mannsein gehört.
Diese Gefühle kennen wir, den Zorn, die Agression, die Wut, ja die Rache. STERBEN SOLL ALLES, UNTERGEHEN. Ein Prophet mit einer starken Botschaft ist Johannes, und so ist es kein Wunder, dass er kurze Zeit später vom machthabenden Herodes gefangen genommen wird und während eines Saufgelages getötet wird und sein Kopf seiner Tochter halbnackt, präsentiert wird, als wäre es der Kopf eines Wildschweins.
LG
Auch wir haben so unsere Probleme mit bärtigen Wilden, die Tod und Untergang bringen und nicht Boten sind, sondern es am liebsten selbst vollziehen möchten. Wer traut sich nach dem Anschlag von Paris so positiv vom WILDEN MANN zu reden wie Anselm Grün:
Anselm Grün: „Johannes ist der wilde Mann, der Zugang hat zu allem Wilden in sich und um sich herum. Das Wilde dient ihm als Kraftquelle, um seine Botschaft von Gott den Menschen zu verkünden und um die Menschen zur Umkehr aufzurufen."
Kommt nun Jesus zu Johannes, um sich taufen zu lassen? Möchte er nun so werden wie Johannes?
Und wenn nicht, warum kommt er in diese Einöde zu ihm? Was hat Jesus vor? Warum geht er diesen Weg? Könnte er nicht missverstanden werden?
ZURÜCK ZUM BILD
Wir sehen ihn, wie Jesus drinsteht im Fluss. Der Jordan...
Auch wir kennen solche Schwellensituationen, solche Flüsse symbolisieren schon immer Grenzen, gefährliche Schwellen auf dem Lebensweg,
unsichere Übergänge von dem einen hinüber zum anderen Ufer.
Angstbesetzt mit vielen Fragen:
Wie tief ist das Wasser? Wie stark die Strömung?
Werde ich heil das andere Ufer erreichen?
Und was wird mich dort erwarten?
Und irgendwie scheint er auch ein bisschen unsicher.
Es war ja auch ein großer Schritt für ihn.
Vielleicht die erste wichtige Entscheidung in seinem Leben. Wegzugehen von daheim, von seinen Eltern und seinen alten Freunden.
Die gesicherte Zukunft als Zimmermann hinzuschmeißen.
Ja, er sehnt sich nach einem anderem, einem neuen Leben. Nach Gemeinschaft, nach Solidarität, nach Gerechtigkeit, nach Zärtlichkeit.
Deshalb ist er gekommen.
Er will sich taufen lassen von diesem Johannes.
Nur zur Hälfte ragt er aus dem tiefen Wasser.
ABER bei dieser Taufe ist es ganz anders als sonst.
Zwar schöpft Johannes auch heute Wasser über den auftauchenden Täufling.
Johannes, der groß starke Wilde, steht fast hilflos daneben, nur eine Hand erhoben. Nicht er schöpft Wasser, er hält seine Hand hoch als flösse das Wasser hindurch, anderes Wasser: himmlisches Wasser von oben, nicht aus dem Fluss, mehr wie Licht gebündelt.
Als wäre ein Scheinwerfer, ein Spot-Light angeknipst worden, das ihn hineinrückt in ein neues Licht,
einen neuen Blick.
Und Otto Dix stellt nun Jesus dar, als wäre er 15 Jahre jünger, so jung schaut er aus, auf dem Bild.
So ohne Bart und lange Locken, wie sonst oft dargestellt ist. Als wäre er keine 30 Jahre, sondern noch mitten in der Pubertät, EIN KONFIRMAND auf der Suche danach, wie sein Leben aussehen soll.ZURÜCK AUF ANFANG!
Im Evangelium heißt es:
"Und alsbald, als er aus dem Wasser stieg,
sah er, dass sich der Himmel auftat
und der Geist wie eine Taube herabkam auf ihn.
Und es geschah eine Stimme vom Himmel:
Du bist mein lieber Sohn,
an dir habe ich Wohlgefallen."
Eine Adoption ist das! was von oben zu hören ist:
Du bist von nun an mein geliebtes Kind.
Du bist schön!
Du gefällst mir,
du machst mir Freude,
so wie du da vor mir stehst,
ehrlich,
mit deiner Sehnsucht,
nackt,
ohne Verkleidung. Verletzlich.
Ich will mich von nun an um dich kümmern.
Ich werde bei dir bleiben dein ganzes Leben,
wenn es schön ist und wenn es schwer ist.
Lass alles hinter dir, was dich bedrückt und dich beschämt.
Geh zuversichtlich weiter auf dem Weg, den du begonnen hast. Es wird ein Weg des Heils sein.
Und damit dir auf deinem Weg der Mut und die Kraft nicht ausgehen,
schicke ich dir meinen Heiligen Geist,
die weiße Taube.
Dieser Geist macht dein Leben hell,
wie dunkel es auch immer drumherum sein mag.
Er hilft dir,
dass die die Liebe und die Hoffnung in dir wachsen,
und dass du deinen Glauben an mich nicht verlierst.
Das ist mein großes Ja zu dir.
Auf dieses Ja kannst du dich verlassen.
Genau diese Zusage lässt Jesus nun einen anderen Weg gehen als Johannes. Nur selten bricht das Wilde in Jesus hindurch, bei Jesus ist diese Energie umgewandlet wie in einem Transformator. Das WILDE hineingenommen in die Kraft zu lieben und nicht zu hassen, in die Kraft Leben schaffen und nicht zu töten, in die LEIDENSCHAFT zu leben und nicht zu sterben.
LG
Deshalb werden wir nicht mit der Taufe des Johannes getauft, sondern DESHALB gilt die Taufe Jesu als Anfang auch unserer Taufe.
Ich glaube es war die letzte Taufe des Johannes. Danach hat er aufgehört. DENN hier schon!
Es ist vollbracht! Hier schon: als Jesus untertaucht - und auftaucht, wie aus einem Jungbrunnen. Als Symbol für den NEUEN BUND den neuen Weg Gottes mit seinen Menschen.
Bei OTTO DIX können wir das sehen.
Ob als Babys getauft oder später aus eigener Entscheidung. Die Taufe verbindet uns mit Christus.
GOTTES KINDER - Gottes Geschwister
Mit ihm sind wir unterwegs zu einem anderen Leben in Liebe, Frieden und Gerechtigkeit.
Unterwegs sind wir, noch nicht angekommen.
Die Macht der bösen, lebensfeindlichen Kräfte, die Macht der Sünde, des ewigen Wiederkehr von Rache und Vergeltung ist noch nicht verschwunden. Auch wir leiden mit. PARIS, NEWYORK, NIGERIA, aber aucch UKRAINE und für mich am eindrücklichsten als junger Mann zu erleben. Jugoslawien.
Wir werden mit Christus auch immer wieder in Situationen der Verachtung, der Verfolgung, der Kreuzigung geführt.
Aber es ist überwunden.
Johannes ist nun vorläufig. PARIS ist vorläufig, und wie souverän nun die Stadt damit umgeht - das ist schon christlich.
Johannes ist vorläufig.
Jesus der vielleicht seinen Weg gehen wollte, wird herausgeholt aus dem Tod und Verderben. Als erster. Und seine Kraft wird hineingenommen, gereinigt, verjüngt, weitergeführt in den Weg Gottes mit seinem SOHN, der für alle Menschen geöffnet worden ist.
Amen